Wer ein Klangerlebnis der obersten Klasse sucht, sollte dem HD 800 S einen näheren Blick gönnen. Seine Auflösung verdient sich in allen Disziplinen Bestnoten, ebenso wie der Tragekomfort und die Verarbeitung. Mit diesen Eigenschaften ist der HD 800 S nicht nur ein außerordentlich feines Werkzeug zum anspruchsvollen Musikgenuss, sondern auch eine Lupe für professionelle, tontechnische Arbeiten. Kurz: Dieser Kopfhörer ist ein Traum. Für dieses Klangerlebnis zahlt man natürlich einen Preis, der mir allerdings im Umfeld der Mitbewerber durchaus angemessen erscheint.
Das Spitzenmodell unter Sennheisers offenen Kopfhörern, sieht man einmal vom Orpheus HE-1 ab, ist der HD 800 S. Der Nachfolger des HD 800 von 2009 ist sowohl in der hier getesteten regulären Version in Schwarz als auch in einer auf 750 Exemplare limitierten, aber technisch identischen Anniversary Edition in edlem Mattgold verfügbar – zum gleichen Preis.
Die offene Konstruktion setzt auf dynamische sogenannte Ringradiatoren, die mit einem Durchmesser von 56 mm größer als in allen anderen Sennheiser-Kopfhörern ausfallen. Die gesamte Verarbeitung ist explizit hochwertig und robust genug für den täglichen Einsatz. Der längenverstellbare Kopfbügel mit Lasergravur und Dämpfungselement ist aus Metall und Kunststoff gefertigt und verfügt natürlich über eine austauschbare Polsterung. Die großen Ohrmuscheln haben einen geringen Schwenkbereich und sind mit einer bequemen ebenfalls tauschbaren Mikrofaserpolsterung versehen. Die Außenisolierung ist angenehm und reduziert dazu Vibrationen wie Trittschall.
Auch sonst verbergen sich interessante Details in der vermeintlich geradlinigen Konstruktion. So sind die in Edelstahl eingefassten Schallwandler in den Ohrmuscheln leicht angewinkelt, was Vorteile beim räumlichen Hören und der Natürlichkeit der Reproduktion mit sich bringen soll. Ebenso kommt eine hauseigene Absorptionstechnik zum Einsatz, die Maskierungseffekte durch tiefe Frequenzen im Hochtonbereich reduzieren und damit die Wiedergabepräzision verbessern soll. Gleichzeitig ist anzumerken, dass sich diese Komponentenschlacht aufgrund einer modernen Materialauswahl nicht negativ auf das Gewicht auswirkt, denn der HD 800 S wiegt gerade mal 330 Gramm.
Gegenüber dem Nachfolger des ebenfalls überragenden HD 800 wurde neben der Gehäusefarbe auch technisch an der Konstruktion optimiert. Die eingesetzten besonders großen Wandler sind identisch zum Vorgänger, erhielten aber zusätzliche Dämpfseide für eine Glättung des oberen Frequenzgangs sowie einen Helmholtzresonator, der ebenfalls im Hochtonbereich greift. Auch gehört das symmetrische Pentaconn-Kabel nunmehr zum Lieferumfang, was sich letztlich auch in einer Preiserhöhung des HD 800 S äußert. Dieser wird wie der Vorgänger komplett in der Manufaktur im niedersächsischen Wedemark von Hand gefertigt, mitsamt exaktem Abgleich der Treiber und strenger Qualitätskontrolle.
Praxis
Dieser Kopfhörer verfolgt zwei explizite Ziele: eine herausragende Klangreproduktion für den audiophilen Musikliebhaber und die Bereitstellung eines verlässlichen Arbeitsmittels für professionell arbeitende Tonschaffende bei der Beurteilung und Arbeit mit Audiomaterial. Als offene Konstruktion ist der HD 800 S hingegen weder musikerseitig für die Tonaufnahme noch für den Mobileinsatz konzipiert, sondern hat seinen bevorzugten Platz an einem hochwertigen Kopfhörerverstärker und der Tonregie. In unserem Fall kamen der RME ADI-2 Pro FS (zum Test) und der SPL Phonitor se (zum Test) zum Zuge, die sich klangqualitativ in der Tat deutlich vom Kopfhörerverstärker meines Audio-Interfaces Focusrite Clarett 4Pre absetzten.
Die Funktionalität ist exakt auf die genannten Aufgaben zugeschnitten. Der HD 800 S arbeitet mit einem hochwertigen 3-Meter-Anschlusskabel. Dieses wird auf jeder Seite zu den Ohrmuscheln geführt und ist dort sicher mit verriegelten Steckern verankert. Das erste der beiden mitgelieferten Kabel ist unsymmetrisch und endet auf einem vergoldeten 6,3-mm-Klinkenstecker. Beim zweiten Kabel handelt es sich um eine symmetrische Variante mit fünfpoligem 4,4-mm-Klinkenstecker (Pentaconn), nutzbar etwa mit dem hauseigenen HDV 820. Optional kann man außerdem ein symmetrisches Kabel mit XLR-4-Stecker erwerben, das mit 199 Euro allerdings nicht unbedingt günstig ausfällt.
Der Tragekomfort verdient sich eine Bestnote, selbst bei langen Hörsitzungen. Die Ohrmuscheln umschließen das Ohr großflächig und mit lediglich leichtem Andruck. Die Position bleibt dennoch sicher gewahrt, wobei man davon ausgehen darf, dass der HD 800 S in aller Regel in einer stationären Position getragen wird, man sich aber im professionellen Bereich, etwa vor einer Mischkonsole, durchaus hin- und herbewegt.
Klang
Der HD 800 S soll höchsten Ansprüchen gerecht werden, die man angesichts des Verkaufspreises natürlich auch stellen darf. Das Resultat ist in der Tat bemerkenswert und wahrhaft exzellent im audiophilen Sinne. Bei unsymmetrischer Verbindung ist der Kopfhörer allerdings nicht explizit laut. Wie erwähnt profitiert das Testgerät von einem hochwertigen Kopfhörerverstärker, weshalb man von hinreichender und zudem verzerrungsfreier Leistung ausgehen darf. Nutzt man eine symmetrische Verbindung, verdoppelt sich der Pegel übrigens.
Der HD 800 S bietet eine atemberaubende Detailauflösung, die sowohl das gesamte Frequenzspektrum umfasst, die Dynamik, das Stereopanorama als auch den Raumklang selbst. Sämtliche Aspekte sind dabei klar hör- und beurteilbar, wobei sich der Kopfhörer in der Grundtendenz eher analytisch als warm abgestimmt zeigt.
Aus den zahllosen Detail- und Transienteninformationen resultiert ein sehr fein differenziertes stabiles und breites Stereopanorama mit präzise nachvollziehbaren Animationen (Yello: Arthur Spark). Noch bemerkenswerter für einen Kopfhörer empfand ich die fein aufgelöste Raumdarstellung, die den Raum und Halleffekte in hohem Maße erkennbar reproduziert – eine Eigenschaft, die man in dieser Form in Kopfhörern nur selten findet. Die Lautsprecher-typische Tiefenstaffelung wird erwartungsgemäß nicht erreicht.
Ebenso aufregend ist die Fähigkeit zur Feinabstufung in der zeitlichen Dimension: Der HD 800 S ist in der Lage, feinste Zeitabstufungen, wie sie etwa bei gedoppelten Gesängen zu finden sind, zu offenbaren.
Im Höhenbereich ist Sennheisers Referenz herrlich offen und mit silbriger Luftigkeit versehen, die man erst in gehobenen Preisklassen antrifft. Gleichzeitig aber ist er nicht nur gefällig, sondern lotet den kritischen Übergang zu eventuellen Härten einer Mischung treffsicher aus. Der obere Biss einer Snaredrum geht also nicht verloren, schießt aber auch seitens des Kopfhörers nicht übers Ziel hinaus.
Apropos Stimmen: Diese zeichnen sich durch beste Verständlichkeit aus, so dass der HD 800 S auch bei Sprachaufnahmen und Schnittarbeiten eine exzellente Wahl ist. Den Mittenbereich generell würde ich als schlank und ebenfalls offen bezeichnen. Sagenhaft bei Stimmen, liefert das Testgerät Intimität aber auch körperhafte Fülle und Druck bei Rockproduktionen, die eben genau nicht mager ertönen. Mit beachtlicher Tiefe gelang es mir dabei, analytisch in die komplexen Klangstrukturen einer Mischung und sogar in die Verzerrung selbst hineinzutauchen, etwa bei Glenn Hughes „This is my town“. Grundsätzlich ist der HD 800 S aber auf kein Genre festgelegt. Orchestrale oder solche Werke, die sich vorrangig auf akustische Instrumente verlassen, werden ebenso vorbildlich reproduziert wie Jazz, Rock, Pop und elektronische Musik. Stets schließen sich die zahllosen kleinen Details wie erhofft zu einem großen Ganzen zusammen, das man gleichermaßen genießen und in das man regelrecht hineinhören kann. Allzu oft entdeckt man dabei Nuancen aller Art, die einem auf einfacheren Monitorsystemen verborgen bleiben. So habe ich das unheimliche Schnarren der tiefen Streicher in Tori Amos „Star Whisperer“ nie zuvor derart prägnant wahrgenommen.
Im Bassbereich zeigt sich der HD 800 S gegenüber den meisten Mitbewerbern weniger spektakulär und eher nüchtern beziehungsweise schlank. Gleichwohl reicht die Bassreproduktion dabei definiert straff und sicher in der Tonalität und Dynamik bis in den untersten Keller hinab. Dass dieser Bereich nicht in den Vordergrund tritt, ordne ich als bewusste Abstimmung im Sinne einer Neutralität ein. Entsprechend muss ich annehmen, dass die Konkurrenz wohl in aller Regel zu „dick“ aufträgt, um den fehlenden Körperschall bei tiefen Frequenzen zu kompensieren. Im audiophilen Sinne verfolgt Sennheiser hier den richtigen Ansatz. Aus tontechnischer Sicht darf man hingegen darüber geteilter Meinung sein: Ich würde den Bassbereich des HD 800 S nicht als alleinige, allgemeingültige Grundlage für eine Mischung heranziehen.
Abschließend noch ein kurzer Vergleich innerhalb der Produktfamilie. Der Vorgänger stand mir für einen Test leider nicht zur Verfügung. Laut Hersteller klingt die aktuelle Version aber räumlicher und natürlicher als der Vorgänger. Der HD 820 ist klanglich durchaus ähnlich abgestimmt, wendet sich aber jene Kunden, die explizit ein geschlossenes, audiophiles System wünschen. Dabei hat der HD 800 S nach meinem Dafürhalten leichte Vorteile hinsichtlich der Detailfülle und der Auflösung. Er klingt luftiger, im Bass definierter und fülliger im Mittenbereich. Das finde ich trotz des Preisunterschiedes, das aus der aufwendigeren Fertigung des HD 820 resultiert, nicht ungewöhnlich, weil der HD 820 eben eine geschlossene Konstruktion ist.
Der zweite Vergleichshörer war der Sennheiser HD 660 S. Gegenüber diesem spielt der HD 800 S in einer erkennbar höheren Klasse. Der Sitz des HD 600 S ist strammer. Er spielt lauter auf und dabei durchaus überzeugend, hat aber erkennbar weniger Raumtiefe und Detailauflösung, klingt dazu weniger luftig und im Bassbereich deutlich vordergründiger.
- 1590,00 € *Zum Angebot
Technische Daten
- BauformOver-Ear
- Bauweiseoffen
- Wandlerprinzipdynamisch
- Audio-Übertragungsbereich (Hörer)4 - 51.000 Hz
- Impedanz300 Ohm
- Gewicht ohne Kabel330 g
- Kabellänge300 cm
Lieferumfang
- Kabel mit 6,35-mm-Klinkenstecker
- symmetrisches Kabel mit 4,4-mm-Klinkenstecker
- Reinigungstuch aus Mikrofaser
- USB-Stick
Habe im Sennheiser Flagshipstore in Berlin meinen damaligen HD700 mit dem HD800 verglichen und gewundert dass Sennheiser den rufschaedigenden HD700 verkauft. Bald danach war mein HD700 bei EBay im Angebot und ein HD800S ist seit dem über meinen Ohren
-> einzigartig toll, trotz meines Alters von 60 Jahren!
Das Ausprobieren hochwertiger Kopfhörer ist leider nirgends mehr möglich; lediglich noch die hyperüberteuerten von z.B. Focal u.a. in teuren HiFi-Studios. Aber welcher Durchschnittsverdiener kann sich das leisten?
Im Netz wird von mir auf Verdacht jedenfalls nichts bestellt…!
Schöne neue Welt!
…da spricht mir jemand aus der Seele.
Mein Fazit: Dann müssen die „Alten“ (DT 770 u. MB-Quart Q400) halt noch etwas herhalten…
Geht es um die Testbarkeit im Fachhandel? In Berlin kann man die Kopfhörer beispielsweise hier hören: http://www.audioforum-berlin.de
Es ist negativ, daß man diesen KH nirgends probieren kann und zwar an einem etwa gleichwertigen Verstärker (NAD C388) mit einer herkömmlichen CD.
Hallo, ein solcher Test sollte im Fachhandel für audiophile Produkte durchaus möglich sein.
Ohne Messwerte leider relativ nutzlos. Schade.
Die Messdaten kommen natürlich noch, leider kommt es durch einen deutschen Paketdienst hier zu Verzögerungen. Zudem ist das Frequenzgangzertifikat auf dem USB-Stick, der in der Produktverpackung enthalten ist.
fast ein Jahr Verzögerung durch den Paketdienst? 🙂
Leider ja, ein Mitarbeiter eines deutschen Paketdienstes hat diesen Kopfhörer gestohlen.