Phonon haben mit ihrem Debüt-Kopfhörer SMB-02 die eigene Messlatte so hoch gehängt, dass es schwer ist, sie zu toppen. Entsprechend reißt der SMB-01L – auch wenn er konzeptionell deutlich anders aufgestellt ist – das Ziel geringfügig. Und mangelnde Höhen sind hier durchaus wortwörtlich zu nehmen. Denn er kann zwar in der Tat mit einer beeindruckend genauen und kraftvollen Basswiedergabe punkten, weiter oben im Frequenzspektrum geht er dagegen weitaus dezenter ans Werk als sein Vorgänger. Der Vorteil von sanfteren Höhen ist natürlich, dass sie auf Dauer weitaus weniger anstrengend sind, als ein höhenreicher Kopfhörer. Freunde eines eher dunklen und kuscheligen Klangs sollten dem Hörer aus Japan durchaus mal einen Testlauf gönnen. Wer dagegen mit der Klangsignatur des SMB-02 glücklich war und ist (der Autor gehört dazu), dürfte den SMB-01L eher als Rückschritt empfinden.
Es ist genau sieben Jahre her, da debütierte der SMB-02 von der damals gerade neu gegründeten Kopfhörer-Firma „Phonon“. Das Gründungstrio der Firma bestand (und besteht, denn die drei leiten Phonon noch immer) aus Isao Kumano, Yusuke Uchiyama und Alex Prat, die allesamt aktive Musiker, Produzenten, Engineers und DJs sind – beste Voraussetzungen also, um ordentliche Kopfhörer zu entwickeln. Und in der Tat konnte der SMB-02 aufgrund seines ausgesprochen detailreichen und linearen Klangs innerhalb kürzester Zeit eine begeisterte Anhängerschaft (der Autor gehört dazu) für sich gewinnen. In dieser Traditionslinie will sich nun der neue SMB-01L einreihen. Wobei das „L“ im Namen für „large“ steht, denn seine erklärte Zielsetzung ist „big studio sounds in your ears”. Bei so einer Ansage sind wir natürlich sofort hellwach und unterziehen ihn einem ausgiebigen Test.
Details
Die Abkürzung SMB steht laut Subheadline für „Subtonic Monitor Basic“. „Subtonic“ ist zwar ein schickes Wort, im Sinne der Entwickler ist aber wohl eher „sub-tonisch“, also „basskräftig“ gemeint. In der Harmonielehre ist es allerdings ein feststehender Ausdruck für die Note unter der Oktave – sprich: die Septime.
Nachdem nun die lang verstaubten schulmusikalischem Hirnareale einen kleinen Aktivitätstrigger bekommen haben, wenden wir uns den technischen Qualitäten des SMB-01L zu: Es handelt sich hier um einen wahlweise halboffenen oder geschlossenen (dazu später mehr) dynamischen Kopfhörer mit 50-Millimeter-Treibern, die mit einer Impedanz von 32 Ohm gegen den Verstärker antreten und jedes ihnen zugeführte Milliwatt in 96 Dezibel Schallleistung verwandeln. Mit freudigem Erstaunen lese ich die Frequenzangabe des Herstellers, der eine epische Wiedergabeleistung von 10 Hz bis 40 kHz verspricht. Souverän verzichten Phonon darauf, diesen riesigen Frequenzbereich mit irgendwelchen HighRes-Audio-Icons zu bewerben.
Äußerlichkeiten
Der SMB-01L wird in einer ziemlich schicken und robusten Tasche aus verstärktem Kunstfaser-Gewebe geliefert, was ich in Anbetracht der Preisregion irgendwie auch erwarte. Darin eingekuschelt liegt der 344 Gramm schwere Hörer, begleitet von einem drei Meter langen Anschlusskabel, einem Miniklinkenadapter und zwei Austauschrückwänden aus Metall samt Minischraubendreher, mit denen sich der Hörer kurzerhand in ein halboffenes System verwandeln lässt. Das habe ich in dieser Form noch nirgendwo gesehen – toll. Ebenfalls erstaunlich das Erscheinungsbild der Ohrpolster, die sage und schreibe eine Dicke von drei Zentimetern besitzen und dem Hörer eine ziemlich massige Optik verleihen.
Wie schon der SMB-02, wirkt auch der SMB-01L in Anbetracht seines Preises und abgesehen von seiner Größe erstaunlich unscheinbar und eher schlicht in Bezug auf seine Materialität. Denn bis auf das Kopfband aus Metall ist der gesamte Hörer aus Plastik gefertigt. Wer beim Kauf dieses 800-Euro-Hörers also exklusive Details, wie etwa aufwändige Metallteile, eine fortlaufende Seriennummer oder mechanische Finessen erwartet, wird vielleicht ein bisschen enttäuscht sein. Beide Hörergondeln lassen sich nach hinten wegklappen – das ist, neben dem Austausch der Rückwand, der einzige Trick, den sie beherrschen. Kenner werden die Exklusivität an anderer Stelle finden, nämlich in Form eines unscheinbaren „Made in Japan“ auf der Verpackung. Tatsächlich verstehen sich Phonon – auch und besonders durch die Person des Firmenchefs und Mastering-Engineer Isao Kumano – als Marke, die sich klanglich und qualitativ in die Traditionslinie der goldenen Ära der japanischen HiFi-Technik der 1980er Jahre einreihen möchte und entsprechend erfolgt die Fertigung, zwar hochpreisig, aber eben auch hochwertig, in Japan. Dass es völlig egal ist, ob ein Kopfhörer nun teuer oder billig wirkt und am Ende nur der Klang zählt, konnte ich bereits beim SMB-02 eindrucksvoll erfahren: ein Hörer, der optisch völlig unscheinbar und haptisch geradezu bieder wirkt, klanglich aber überragend ist und mich seit mittlerweile sieben Jahren – abgesehen vom abgeribbelten Kunstleder an den Ohrpolstern – ohne einen einzigen Defekt bei fast allen Audiojobs begleitet (und ich gehe wirklich rau mit meinem Material um).
Handling
Anschluss an den Zuspieler findet der Phonon-Hörer über das mitgelieferte 3-Meter-Anschlusskabel, das mit einem Miniklinkenstecker in die entsprechende Buchse im linken Hörer gesteckt wird. Eine Arretierung findet hierbei nicht statt.
Wer absehen kann, dass er den SMB-01L oft über längere Zeit tragen wird, ist gut beraten, die mitgelieferten halboffenen Rückwanddeckel zu montieren. Drei Minischrauben sind dazu pro Seite zu lösen. Zwar liefern Phonon einen niedlichen kleinen Schraubendreher mit, er erweist sich aber als eine Nummer zu groß und ist daher nur mäßig nützlich. Mit einem einfachen Feinmechnik-Kreuzschraubendreher (idealerweise magnetisch) ist der Wechsel aber im Handumdrehen erledigt. Im Ergebnis wird der Klang ein Stück weicher, da sich ja kein Staudruck mehr aufbauen kann. Als positiver Nebeneffekt werden dagegen die Ohren nicht so schnell schwitzig und das Tragegefühl ein bisschen luftiger.
Klang
Die Zielsetzung hinter dem SMB-01L beschreibt der Hersteller als den Versuch, den Klang eines großen Studiomonitor-Systems in einen Kopfhörer zu bringen. Entsprechend lautet der vollmundige Werbeslogan „Big studio sound in your ears“.
Nun gut, das wollen und versprechen ja doch recht viele Hersteller – höchste Zeit also, dem Hörer die Gelegenheit zu geben, das im Hörtest unter Beweis zu stellen. Ich beginne mit leichter Kost und lege dazu das neuzeitlich aufgeräumt und saftig produzierte Album „Future Nostalgia“ von Dua Lipa auf. Tracks wie „Don‘t Start Now“ oder „Pretty Please“ deren gesamter Groove im präzise konstruierten Wechselspiel von Kick und Bass liegt, sind ein guter Indikator zur Beurteilung der Bassleistung und Präzision eines Kopfhörers. Und es braucht keine zwei Takte, da zaubert mir der SMB-01L ein breites Lächeln ins Gesicht, respektive einen wirklich fantastischen Bass in die Stereomitte zwischen meinen Ohren. Es ist diese Stabilität in der Stereomitte, dass also sämtliche Noten eines Basslaufs (und die Kick) genau in der Mitte des Kopfes zu klingen scheinen (und nicht wandern), die zeigt, ob ein Hörer hier linear arbeitet. Der Phonon macht das hervorragend und arbeitet diesen Bereich ebenso präzise wie kraftvoll ab.
Ich will Mitten und Höhen unter die Lupe nehmen und lasse dazu Mogwais streckenweise extrem opulent orchestriertes Album „As The Love Continues“ durch die Wandler laufen. Speziell das bombastische „Ritchie Sacramento“ bei dem sich der bröselnd verzerrte, offen geschrammelte 4-Saiten-Bass und die sonore Stimme von Leadsänger Stuart Braithwaite Frequenz-technisch immer wieder bedenklich nahe kommen, verlangt nach einer präzisen Mitten- und Höhendarstellung, um hier noch die Lyrics heraushören zu können. Hier allerdings gibt sich der SMB-01L im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger SMB-02 und meinem Referenzhörer (Beyerdynamic DT 1990 Pro – zum Test) deutlich bedeckter – für meinen Geschmack ein bisschen zu viel. Denn Höhen sind ja nicht einfach nur für die Offenheit und Brillanz des Klangs entscheidend, sondern sorgen auch für die Stereobühne: Weniger Höhen bedeutet auch immer eine Abnahme der räumlichen Plastizität und der Transienten-Wiedergabe, die für die „Knackigkeit“ im Klang sorgt. Natürlich ist das – wie immer – auch eine Geschmacksfrage: Denn es ist nicht so, dass der SMB-01L an diesem Punkt fehlerhaft wäre. Nein, keineswegs: Er reproduziert auch Mitten und Höhen ohne Frequenzlöcher oder störende Resonanzen und das durchgängig mit einer schönen Dynamik. Nur arbeitet er diese Bereiche eben einfach ein bisschen leiser ab, als beispielsweise der SMB-02.
Ein ähnliches Urteil in Bezug auf die Klangsignatur des von mir unlängst getesteten Beyerdynamic T1 3rd Generation (zum Test), führte in den sozialen Medien zu aufschlussreichen Diskussionen zwischen mir (der der Ansicht ist, ein idealer Kopfhörer sollte möglichst linear sein ohne Bereiche zu betonen oder zu kaschieren), der Presseabteilung (die den Standpunkt vertrat, dass es sich um einen fein austariertes Klangbild für den Musikgenuss zu Hause handelt) und verschiedenen Anwendern, die mir überwiegend beipflichteten, das es doch keinen Sinn macht, dass Beyerdynamic die Höhen bei einem aktuellen Modell abschwächen, wo sie doch bereits unzählige Modelle mit einer fantastischen Höhendarstellung im Programm haben, die die Anwender sehr schätzen. Ein (kleinerer) Teil der Anwender war mit dem Klang allerdings durchaus zufrieden – Geschmäcker sind eben verschieden.
Eine ähnliche Causa sehe ich nun im Fall des SMB-01L: Wenn der SMB-02 für deutlich weniger als die Hälfte des Preises über eine – für meinen Geschmack – klarere Mitten- und Höhendarstellung verfügt, als der doppelt so teure Nachfolger, kann ich für mich persönlich keinen Anreiz für einen Wechsel erkennen.
Technische Daten
- BauformOver-Ear
- Bauweisehalboffen & offen
- Wandlerprinzipdynamisch
- Audio-Übertragungsbereich (Hörer)10 - 40.000 Hz
- Impedanz32 Ohm
- Schalldruckpegel (SPL)102 dB
- Gewicht ohne Kabel343 g
- Kabellänge300 cm
Lieferumfang
- austauschbare Ohrplatten
- abnehmbares Kabel
- Etui