ANZEIGE
ANZEIGE

Grado Labs GW100 (V2)

Offener Bluetooth On-Ear mit Charakter

Kurz & knapp

Grado gelingt es, die Klangeigenschaften seiner kabelgebundenen Klassiker in den GW100 zu übertragen. Die offene Bauweise sorgt dafür, dass dem On-Ear-Leichtgewicht auch bei tiefen Bässen nicht die Puste ausgeht. Trotz der laut Hersteller reduzierten Außenabstrahlung ist der GW100 für den Büroeinsatz oder öffentliche Verkehrsmittel denkbar ungeeignet, mit einer Batterielaufzeit von weit über 40 Stunden, hohem Tragekomfort und audiophilen Klang dafür aber der ideale Begleiter im Homeoffice. Negativ fiel dagegen die Qualität der Headset-Mikrofone auf.

ANZEIGE

Mit den GW100 fängt Grado den Klang und das Design seiner kabelgebundenen Klassiker der Prestige-Reihe ein. Die On-Ear-Kopfhörer liefern hohen Tragekomfort, audiophilen Klang mit tiefen Bässen und eine bemerkenswerte Batterielaufzeit. Als offene Konstruktion sind sie die ideale Lösung für den Einsatz zuhause, nicht jedoch für den öffentlichen Raum. Abzüge gibt es bei der Sprachqualität.

Ein Familienbetrieb mit digitalen Ambitionen

Auf den ersten Blick erinnert der GW100 an Grados beliebte Einsteigermodelle der Prestige-Reihe, insbesondere den SR80x. Eben jenes günstige Einsteigermodell „Made in Brooklyn“ rettete 1991 den Familienbetrieb und ist seitdem fester Bestandteil des Grado-Lineups. Die SR80x liefern bei einem Preis von 150 Euro ein erstaunlich detailliertes Klangbild und können es dank ihrer offenen Bauweise durchaus mit manchen doppelt so schweren Over-Ear-Kopfhörer aufnehmen.

Grados Know-how bei der Entwicklung analoger Schallwandler ist unbestritten, neben Kopfhörern sind Tonabnehmersysteme für Plattenspieler das zweite Standbein der Firma. Dennoch, die drahtlose Kopfhörerwelt ist brutal: Selbst Sennheiser hat sich, trotz teurer Eigenentwicklungen wie Ambeo (zum Test) aus der Consumer-Audiosparte verabschiedet und besinnt sich auf bewährte Profi-Produktreihen. Insofern finde ich es mutig und lobenswert, dass Grado mit der Wireless-Series den Einstieg in die digitale Drahtloswelt wagt. Die aktuelle Version V2 des GW100 arbeitet inzwischen mit Bluetooth 5 und bietet eine Codec-Unterstützung für SBC, AAC und aptX.

Nachhaltige Verpackung, spartanischer Lieferumfang

Die Verpackung des Grado GW100 ist schlicht gehalten und besteht im Wesentlichen aus einer dünnwandigen Schachtel mit Schaumstoffeinlage, einem 120-cm-Miniklinkenkabel sowie einem 60 cm kurzen Kabel (USB-C auf USB-A). Zumindest ein Stoffbeutel als Staubschutz sollte bei einem Preis von 249 Euro eigentlich nicht zu viel verlangt sein.

ANZEIGE

Im direkten Vergleich zur Prestige-Serie zeigt sich, dass der Grado GW100 von Grund auf neu entwickelt wurde. Grado selbst bewirbt die speziell für die Wireless-Serie neu angepassten Treiber der Prestige-Reihe, aber auch Gehäuse und Kopfbügel sind neu. Leider fielen einige Features dem Rotstift zum Opfer: Das texturierte Kunststoffgehäuse des SR80x ist ein echter Handschmeichler, beim GW100 kommt hingegen leichter, matter Kunststoff zum Einsatz, dessen Haptik mich nicht komplett überzeugt. Die wackeligen Tasten sind ein weiteres Indiz dafür, dass bei der Entwicklung des GW100 Abstriche gemacht wurden. Eigentlich legt Grado viel Wert darauf, dass selbst das günstigste Modell der Prestige-Baureihe in Brooklyn, New York handmontiert wird. Leider muss sich der mehr als doppelt so teure GW100 mit einem „Designed at Grado Labs in Brooklyn“ begnügen.

Auf dem Kopf: der Tragekomfort

Diese Kritik rückt beim ersten Aufsetzen in den Hintergrund. Der mit Veloursleder gepolsterte Kopfbügel entwickelt trotz meiner relativ großen Kopfform kaum Druck und sitzt perfekt. Die für Grado charakteristischen „Antennen“ erlauben eine stufenlose Anpassung. Ebenso typisch sind die flachen Polster aus Schaumstoff, die problemlos für etwa 20 Euro das Paar nachbestellt werden können. Dank der aufsitzenden Ohrhörer werden auch die Bügel meiner Brille nicht eingeklemmt. Während ich bei größeren Over-Ear-Kopfhörern regelmäßige Pausen einlegen muss, konnte ich mit dem drahtlosen Grado stundenlang arbeiten, ohne „heiße Ohren“ zu bekommen. Kein Wunder, denn der GW100 wiegt trotz des in der Version 2 leistungsstärkeren Akkus mit 850 mAh Kapazität lediglich nur 170 Gramm, unwesentlich mehr als der Grado SR80x (150 g) oder der Klassiker Sennheiser HD 25 (ca. 135 g). Die Ohrhörer können um 90 Grad gedreht werden, weshalb sich die Kopfhörer „flach“ im Rucksack verstauen lassen.

ANZEIGE

Der linke Ohrhörer beherbergt neben einer Status-LED drei Tasten zur Steuerung von Bluetooth-Funktionen und der Lautstärke sowie Buchsen für USB-C und Stereo-Miniklinke. Über letztere kann der Kopfhörer auch ganz analog ohne Digital/Analogwandler und Batterie genutzt werden.

Der Klang: It’s a Grado!

Die Grado-Klangsignatur wird häufig als eigenständig bezeichnet, insbesondere um den relativ flachen Frequenzverlauf, ohne überbetonte Bässe und Höhen zu beschreiben. Ein weiterer Faktor ist aber auch, dass Grado-Kopfhörer grundsätzlich Open-Back-Kopfhörer sind, bei denen die von der Membran bewegte Luft nach außen entweichen kann. Neben höherem Tragekomfort heißt das auch, dass der Grado GW100 für einen solchen Kopfhörertyp ein unverschämt tiefes Klangbild entfaltet. Die Mitten sind leicht überbetont, was einerseits sowieso „klassisch Grado“ ist, anderseits die Sprachverständlichkeit erhöht.

Für Kopfhörer dieser Größe beeindruckend ist die unaufgeregte und präzise Basswiedergabe, insbesondere bei akustischen Aufnahmen. Der bei geschlossenen Kopfhörern geschönte „Punch“ im Bassbereich fehlt hier völlig und die Hörerfahrung erinnert eher an kleine Studiolautsprecher. In der Dolby-Atmos-Version von Herbie Hancocks „Sorcerer“ sind Klavier, akustischer Bass und Schlagzeug trotz virtuosen Spieles stets klar separiert und breiter gefächert als man dies On-Ears gemeinhin zutraut. Auch bei Freddie Hubbards „Weaver of Dreams“, einer weiteren Jazz-Aufnahme, überzeugen die GW100 auf ganzer Linie. Hubbards Trompetenspiel mit all seinen dynamischen Nuancen, Atem- und Klappengeräuschen wird durchaus audiophilen Ansprüchen gerecht. Bei basslastigen Club-Produktionen (Marteria & DJ Koze – Paradise Delay) stoßen die Grado GW100 konstruktionsbedingt an die Grenzen ihrer (Sub-)Basswiedergabe. Macht nichts, der Track klingt dennoch noch fett und weckt Sehnsucht an Club PAs.

Telefonieren: lieber ohne Headset

Um es nochmals zu betonen, da der Grado GW100 ein offener Kopfhörer ist, dringen Außengeräusche relativ problemlos ein. In einer lauten Umgebung wird man also nicht sonderlich viel Freude an ihm haben. Und es bedeutet auch, dass Rücksicht auf unfreiwillige Mithörer:innen genommen werden sollte. Arbeitet man hingegen allein im Homeoffice, kann sich der GW100 hingegen als ein toller Begleiter erweisen.

Das gilt jedoch nicht für Vieltelefonierer:innen. Leider ist die Sprachqualität bestenfalls Mittelmaß und sinkt manchmal deutlich darunter. Gesprächspartner haben mich unaufgefordert auf den muffigen Klang hingewiesen. Etwas unverständlich, warum eine Firma wie Grado einen so offensichtlichen Makel bestehen lässt.

Reduziert man das Gerät aufs Wesentliche sieht die Bilanz hingegen viel besser aus: Der Grado GW100 ist der aktuell weltweit einzige True-Wireless Kopfhörer mit Open-Back-Bauform. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist nicht ganz so attraktiv wie das der kabelgebundenen Prestige-Reihe, das Kappen der Kabel kostet letztlich 100 Euro Aufpreis.

vor 3 Jahren von Martin Hirsch
  • Bewertung: 4
  • Sound
  • Handling
  • Preis/Leistung
  • Funktion

Technische Daten

  • BauformOn-Ear
  • Bauweiseoffen
  • Wandlerprinzipdynamisch
  • Audio-Übertragungsbereich (Hörer)20 - 20.000 Hz
  • Impedanz32 Ohm
  • Schalldruckpegel (SPL)99,8 dB
  • Kabellänge120 cm

Lieferumfang

  • Kabel mit Stereo-Miniklinke (120 cm)
  • USB-A auf USB-C Kabel (60 cm)

Besonderheiten

  • BT-Codecs: aptX, AAC, SBC
  • BT-Version: 5.0

3 Antworten auf “Grado Labs GW100 (V2)”

  1. Martin Ripka sagt:

    Benutze den Grado seit März 2021, 2,5 Jahre. Klang wunderbar. Tragekomfort super. Kritikpunkt: Unpräzise Plastik- Verarbeitung. Sogar die USB-C Buchse hat einen Wackelkontakt. Schade, denn die 1930-er Optik verspricht handwerkliche Qualität. Ersatzteile teuer. Zumindest in Österreich. Positive Entdeckung: Per Kabel noch viel tollerer Klang als per Bluetooth. (Ich vermute, noch V1, älterer Standard als V2 ?)

  2. cloud10 sagt:

    Schade dass gerade beim Grado der Frequenzverlauf nicht gemessen wurde.

    Aus meiner Sicht sind die Grados eine Offenbarung und ja ich nutze sie auch im ÖPNV – leise reicht.

    Allerdings muss man darauf achten, dass immer AAC als Codec eingestellt ist da sonsr das DSP nicht optimal arbeitet (wenigstens bei meinen V2)

  3. Horst sagt:

    Bin begeistert. Klang ist wunderbar rund, klar, offen, es gibt wieder soviel zu entdecken, ein Klangschmeichler. Leicht zu tragen, auch mit Brille. Hätte in der Preisklasse so einen feinen Schallwandler nicht vermutet. Hier wurde alles richtig gemacht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

ANZEIGE