Mit dem Utopia ist Focal zweifelsfrei ein ambitioniertes, herausragendes Produkt gelungen, dass sich an eine anspruchsvolle audiophile Klientel wendet. Ebenso darf dieser Kopfhörer für professionelle Anwender in der Tonregie und an Schnittplätzen als Empfehlung gelten. Gleichzeitig stellt mich eine Bewertung eines Produktes dieser Preisklasse vor eine Herausforderung. Der Focal Utopia klingt überragend und in vielen Aspekten auch hörbar überlegen, vergleicht man ihn mit hochwertigen Konstruktionen aus der oberen Konsumentenklasse. Inwieweit aber diese Verbesserungen den signifikanten Aufpreis rechtfertigen, ist eine andere Frage. Die letzten Prozente sind oftmals mit einem signifikanten entwicklungstechnischen und konstruktiven Mehraufwand verbunden, der sich eben im Preis widerspiegelt. Dieser wiederum hat Rückwirkung auf die produzierte Stückzahl, die bei kleinen Zahlen ihrerseits zu höheren Preisen führt. Auch die vollständige Fertigung in Frankreich und die hohen Anforderungen bei der Bearbeitung von Beryllium sind Kostenfaktoren.
Letztlich möchte ich jedoch die Abgrenzung dieses Kopfhörers zu Mitbewerbern wie Ultrasone, Sennheiser, Audeze oder Stax eurem persönlichen Hörgeschmack überlassen. Der Utopia spielt definitiv der obersten Klasse vorn mit.
Einen Kopfhörer zu einem Preis von etwa 4.000 Euro hat man nicht täglich auf den Ohren. Der französische Edelhersteller Focal wirft bei seinem Spitzenmodell Utopia seine ganze Kompetenz in die Waagschale für ein Produkt, das sich schon namentlich in eine Reihe mit den größten Focal-Lautsprechermodellen stellt.
Äußeres
Schon am Material wurde nicht gespart. Die Konstruktion setzt überwiegend auf Karbon und verfügt über ein längenverstellbares ledergepolstertes Kopfband mit beweglichen Ohrmuscheln. Letztere fallen aufgrund eines Metallrahmens recht schwer aus. Hier erfolgt die Polsterung über eine kräftige Lage Memory-Schaumstoff, während die Außenhaut aus einer Kombination von Mikrofaser und Lammleder besteht, die besten Tragekomfort für lange Hörsitzungen bietet. Das Leder hat man zusätzlich mit Mikroperforierungen versehen, die laut Hersteller im Vergleich mit anderen Ohrpolstern tatsächlich zu einer Verbesserung der Klangqualität führen.
Die Kabelführung erfolgt beidseitig. Das sauerstofffreie drei Meter lange Anschlusskabel mit professioneller, vergoldeter 6,3-mm-Neutrikklinke ist dabei über verriegelbare LEMO-Stecker verbunden und somit austauschbar. Es ist explizit niederohmig und bietet eine hohe elektromagnetische Unempfindlichkeit. Der Kopfhörer selbst wird in einem großen stabilen Case mit Lederbeschichtung ausgeliefert. Wer es noch ein bisschen eleganter mag, kann optional einen passenden Kopfhörerständer erwerben.
Besonderheit der dynamischen offenen, in Handarbeit bei Focal in Lyon gefertigten, Over-Ear-Konstruktion sind die hauchdünnen 40-mm-Treiber aus Beryllium. Dieses Material ist deutlich steifer als Titan, gleichzeitig aber leichter. Hervorragende Voraussetzungen für eine präzise Membran, die in diesem Fall gerade eine Stärke von 25 μm aufweist – entsprechend federleicht und impulsfreudig ist die klangübertragende Mechanik. Hinzu kommt die spezielle M-Form der Membran, die mögliche Verzerrungen und Phasenfehler nochmals reduziert. Die Treiber wurden leicht nach vorn versetzt und gewinkelt, um die Räumlichkeit zu verbessern, beziehungsweise den Effekt der In-Kopf-Lokalisation zu verringern. Dennoch und soviel sei vorweggenommen, macht auch dieser Trick aus dem Utopia kein Paar Lautsprecher.
Klang
Ich testete den Utopia mit dem Kopfhörerverstärker Arche, ebenfalls aus dem Hause Focal. Dieser diente als Wandler und Backend für unterschiedlichste Dateien aus einem MacBook Pro mit Audirvana (zum Test) als Player, einschließlich HiRes- und DSD-Quellmaterial.
Als offener Kopfhörer spielt der Utopia unerhört leicht und luftig auf. Da bei dieser Konstruktion unvermeidbar Schall auch nach außen dringt, empfiehlt sich der Testkandidat grundsätzlich für den audiophilen Heimeinsatz. Gleichzeitig wendet er sich auch an professionelle Anwender für die Beurteilung von Mischungen in Tonregien und für Schnittarbeiten.
Beschreibungen wie hochauflösend, warm und silbrig verraten nicht unbedingt die wahren Qualitäten der Reproduktion, mit denen der Utopia den Hörer ins Klanggeschehen einbezieht. Sein gleichermaßen ausgewogener, fein detaillierter und umhüllender Klang sorgt für ein herausragend stimmiges Gesamtergebnis, das allerdings auch Schwächen der Quellen präzise entlarvt. Der Bass wird mit exzellenter Klarheit, Dynamik und Tonalität abgebildet, bei gleichzeitig warmer Grundnote. Tiefbässe meistert das System problemlos. Erstmals meinte ich sogar, entsprechende Töne im Panorama verorten zu können.
Die Mitten bilden den zentralen Hörbereich ebenso sicher ab. Akustische, elektrische und elektronische Instrumente und Stimmen liefern die Stimmung einer Aufnahme, auf die unsere Ohren sensibel reagieren. Beim Utopia hat alles seinen Platz im homogenen und dennoch sauber gegeneinander abgegrenzten Zusammenspiel. Ganz nach Quelle arbeitet der Kopfhörer die Intimität reduzierter Kompositionen heraus, die majestätische Fülle eines Orchesters, den nötigen Druck im Rock sowie den Zuckerguss im Pop.
In den hohen Frequenzen zeigt das Beryllium erwartungsgemäß ebenfalls seine Stärke in Form höchster Detailauflösung und Impulsfreudigkeit, silbriger Luftigkeit und dem Fehlen von Härten seitens des Treibers. Die Schnelligkeit hat direkte Auswirkungen auf die famose Breite und klar definierte Abbildung des Stereopanoramas einschließlich dort auftretender Bewegungen – lebendige Stereomischungen wie „Pan Blue“ von Yello flirren einem regelrecht um die Ohren.
Auch die oftmals bei Kopfhörern problematische Disziplin der Raumtiefe meistert der Utopia: Hallfahnen sind gut erkennbar und der Kopfhörer schafft es, eine Raumgröße nachzuzeichnen und aufnahmeabhängig größer oder kleiner darzustellen. So kann man auf Benny Anderssons Solowerk „Piano“ nicht nur der Dynamik seines Fazioli-Flügels folgen, sondern auch die Wärme des Aufnahmeraums goutieren. Mehrere Stufen größer erklingen Orchesterklänge, während es bei Rockproduktionen stimmig drückt – ein echter Universalist. Gleichzeitig ist er aber auch ein Werkzeug, das ohne Effekthascherei zur Sache geht und immer wieder schonungslos die Wahrheit offenbart. So lassen sich Mischungen und Aufnahmen kritisch beurteilen, weshalb der Utopia eben auch die erste Wahl für Toningenieure ist. So ermöglichte mir dieser Kopfhörer in ungekannter Weise, eventuelle Übersteuerungen im Quellmaterial zu identifizieren.
Technische Daten
- BauformOver-Ear
- Bauweiseoffen
- Wandlerprinzipdynamisch
- Audio-Übertragungsbereich (Hörer)5 - 50.000 Hz
- Impedanz82,1 Ohm
- Schalldruckpegel (SPL)98,51 dB
- Druck gemittelt aus großem und kleinem Kopf696,5 g
- Gewicht mit Kabel701 g
- Gewicht ohne Kabel493 g
- Kabellänge295 cm
Lieferumfang
- 3 m langes OFC-Kabel: 1 x 6,35 mm-Neutrik-Stereo-Klinke
- 2 Lemo-Stecker
- Transportetui mit Magnetverschluss
- Optional: Ständer